Es war im Sommer 1961. Beim Abendbrot berichtete die Tagesschau vom Treffen Chruschtschow-Kennedy in Wien, als mein Vater einen minutenlangen Wutanfall erlitt. Sein Zorn richtete sich ausschließlich gegen Kennedy (Chruschtschow war für ihn sowieso ein Verbrecher). Die Mauer ahnte er als solche wohl nicht. Aber er vermutete intuitiv: Die einigen sich auf unsere Kosten. Also eine Art Frontbegradigung – Kuba gegen West-Berlin. Meine Mutter, eine kluge, gebildete Frau sagte nur: Warum sollten die Amerikaner für uns einen Atomkrieg riskieren?

Continue reading

Ein sentimentaler Zyniker hat mir mal erklärt, die Ehe sei der Sieg der Hoffnung über die Erfahrung. So ähnlich scheint es mit der sozialistischen Idee zu sein. Nachdem die kommunistischen Terrorregime im 20. Jahrhundert weltweit über 100 Millionen Tote zu verantworten haben, wirkt gegen alle Vernunft die Faszinationskraft der sozialistischen Idee fort. Ich erinnere mich deutlich an ein mehrstündiges Vier-Augen-Gespräch mit dem Oranienburger Pfarrer Scheidacker – ein hoch intelligenter, universell gebildeter und vor allem ehrlicher und mutiger Mann – mir intellektuell weit überlegen. Meine Fakten und Argumente akzeptierte er alle. Und trotzdem beschwor er fast verzweifelt immer wieder: Aber die Idee ist doch gut. Nein Herr Pfarrer, eine Idee, die solche Ergebnisse zeitigt, kann nicht gut sein.

Continue reading